Tom Felber ist Jurymitglied beim Spiel des Jahres. Genau genommen ist er DAS Schweizer Jurymitglied dort. Er kann mitbestimmen, welche Spiele im Rennen um den begehrten Titel ein Wörtchen mitreden dürfen. Seit diesem Jahr ist Tom Felber sogar Vorsitzender der Jury „Spiel des Jahres“. Also ein guter Grund für brettspielblog.ch, um nachzufragen.
Wie schafft es ein Schweizer in die auserlesene Jury zum „Spiel des Jahres“?
Tom Felber (T.F.): Die Jury „Spiel des Jahres“ ist eine deutschsprachige Kritikerjury. Als Mitglieder kommen journalistisch tätige Leute in Frage, die regelmässig in Medien (Zeitungen, Internet, Radio, Fernsehen) über Spiele publizieren und damit auch ständig ihre Kompetenz belegen. Das zweite wichtige Kriterium ist Unabhängigkeit von der Spielebranche. Mitglieder dürfen weder publizistisch für Verlage arbeiten (PR, Regelschreiber), noch selber Spiele erfinden oder herausgeben, noch Verlage beraten, welche Spiele sie als nächstes herausbringen sollen. Es gibt im deutschsprachigen Raum gar nicht allzu viele Leute, welche diese Kriterien erfüllen. Nachdem ich seit 1985 erste Spielkritiken im damaligen „Aargauer Kurier“ veröffentlichte und seit 1997 eine eigene Kolumne in der NZZ habe, wurde ich 2000 in die Jury berufen.
Wie gross ist der Arbeitsaufwand als Jurymitglied beim „Spiel des Jahres“?
T.F.: Der Arbeitsaufwand ist riesig. Im Prinzip muss man den ganzen Jahrgang an Spieleneuheiten kennen und durchspielen. Das sind mittlerweile über 600 Spiele pro Jahr. In der Phase zwischen Nürnberger Spielwarenmesse im Februar, wo viele Spielneuheiten vorgestellt werden, und unserer Klausurtagung im Mai spiele ich durchschnittlich fünf Mal die Woche an Abenden oder Wochenenden. Ohne Leidenschaft geht das gar nicht. Da wir als Verein organisiert sind, sind die einzelnen Mitglieder auch noch unterschiedlich stark in Vereinsämter eingebunden. Als derzeitiger Vorsitzender kommt noch einiges an Administrativ- und Projektarbeit hinzu, da die Jury im Moment organisatorisch ziemlich im Umbruch ist und viele Projekte (Dritter Hauptpreis, Aktion „Spielend gesund werden“, Broschüren, Messeauftritte) organisiert sein wollen. Die Hauptarbeit dazu leistet aber zum Glück eine professionelle Geschäftsstelle.
Wie wird aus der grossen Spielmasse eine Auswahl zum „Spiel des Jahres“ getroffen? Wie läuft so ein Verfahren ab?
T.F.: Das Wahlverfahren ist auf unserer Homepage www.spiel-des-jahres.com nachzulesen. Wichtig ist, dass es keine Ausschreibung gibt, sondern im Prinzip alle Neuerscheinungen automatisch im Verfahren sind, sofern die Jury von ihnen Kenntnis hat. Wir wollen keine Beschränkungen. Während des Verfahrens werden von den einzelnen Mitgliedern immer wieder Listen mit ihren Spiele-Favoriten erstellt. Diese Listen mit Rangierungen gelten dann als Diskussionsgrundlagen für die mehrtägige Klausurtagung. Hier unser Text von der Homepage:
Wahlverfahren
Die Jury bezieht in ihre Wahl alle Neuerscheinungen im Bereich der Familien- und Erwachsenenspiele aus der Produktion des laufenden und vorangegangenen Kalenderjahres ein. Eine eigene Ausschreibung findet nicht statt. Der Wahlvorgang umfasst zunächst zwei Durchläufe: einen Informationslauf sowie einen ersten Wertungslauf.
Nach den beiden Läufen wird im Anschluss in einer Klausurtagung eine Empfehlungsliste erstellt. Während dieser Klausurtagung werden auch die bis zu fünf Nominierten für den Hauptpreis gewählt. Die Wahl des Hauptpreises findet am Vorabend der Bekanntgabe der Preisträger statt.
Der Hauptpreis „Kinderspiel des Jahres“ wird in einem gesonderten Wahlverfahren gewählt.
Welche Attribute muss für Sie ein „Spiel des Jahres“ mitbringen?
T.F.: Auch dazu verweise ich auch auf unsere Homepage:
Beurteilungskriterien für den Hauptpreis und die Sonderpreise sind:
1. Spielidee (Originalität, Spielbarkeit, Spielwert)
2. Regelgestaltung (Aufbau, Übersichtlichkeit, Verständlichkeit)
3. Layout (Karton, Spielplan, Regel)
4. Design (Funktionalität, Verarbeitung)
Welche Art von Spielen spielt Tom Felber persönlich gerne?
T.F.: Ich habe keine Lieblingsspiele. Denn Spielen ist eine extrem situations- und personenabhängige Angelegenheit. Es kommt wirklich darauf an, mit wem ich spielen will und in was für einer Atmosphäre wir uns befinden. Es gibt Spiele, die in einer bestimmten Gruppe der absolute Renner sind, während andere Gruppen überhaupt nichts damit anfangen können. Ich habe höchstens so etwas wie eine Top-Twenty-Liste, die sich aber auch ständig wieder ändert. Die Palette reicht dabei von einfachen Karten- und Bluffspielen wie „Sechs nimmt!“ oder „Kakerlakenpoker“ über Party- oder Grossgruppenspiele wie „Times up“ oder „Die Werwölfe vom Düsterwald“, von uns ausgezeichnete Familienspiele wie „Carcassonne“ oder „Zug um Zug“, raffinierte Zwei-Personen-Spiele wie „Kamisado“ oder „Gipf“ bis zu Freak-Spielen wie „Dungeon Lords“ oder „Le Havre“. Ein Spiel ist immer hauptsächlich nur ein Medium, um damit eine Gruppe von Leuten an einen Tisch zu bringen und zusammen eine möglichst gute Zeit zu erleben. Nicht mehr und nicht weniger. Ich war von 2008 bis 2010 auf einer zweijährigen Weltreise und habe mit Hunderten Leuten verschiedenster Nationalitäten und Kulturkreise gespielt. Ein Spiel war dabei besonders wertvoll, um mit fremden Leuten in Kontakt zu kommen. Das Kartenspiel „Pingu Party“ von Reiner Knizia aus dem Amigo-Verlag. Die Regeln sind derart logisch und das Spiel derart spassig, dass man es auch im Nu Leuten beibringen kann, deren Sprache man überhaupt nicht spricht. Wichtig ist für mich auch die Abwechslung und immer wieder neue Spiele kennen zu lernen. Menschen, die sektenartig und redundant nur immer Jassen, „Dog“, „Tichu“ oder andere Lieblingsspiele spielen wollen, sind mir höchst suspekt.
Tom Felber, besten Dank für das Interview. Ich wünsche Ihnen ganz viel Zeit für alle Spiele und viel Fingerspitzengefühl bei der jährlichen Auswahl zum „Spiel des Jahres“.
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